2015.11.01

10 DINGE, BEI DENEN DIR DIGITALE HELFER NICHTS NÜTZEN

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Der Artikel behandelt zehn akustische Herausforderungen, bei denen digitale Verarbeitung nicht entscheidend weiterhilft.
Vom Audioexperten Eddy B. Brixen

Digitale Technologien kommen heute überall zum Einsatz. Man sollte jedoch eines beachten: Deine Stimme ist analog, viele Musikinstrumente sind analog, Schallwellen bewegen sich analog und nicht zuletzt sind natürlich auch Deine Ohren analog! Daher ist digitale Technologie trotz all der wunderbaren Möglichkeiten, die sie bietet, nicht notwendigerweise die Lösung für jedes Problem.

Im Folgenden werden Probleme genannt, die Du auf digitalem Weg nicht lösen können – auch nicht mit noch so leistungsstarken Plug-Ins.

 

1. Zu geringer Dynamikumfang

Zu niedriger Aufnahmepegel oder zu geringe digitale Auflösung führen zu einem engen Dynamikumfang. Und es gibt kein Plug-In wie etwa einen „Grundrauschenentferner“. Manche Zischgeräusche können geformt werden, damit sie nicht so sehr wahrgenommen werden. Das ist jedoch nur Kosmetik und keine Erweiterung des Dynamikumfangs.

 

2. Verzerrung (Übersteuern)

Verzerrung tritt in vielerlei Gestalt auf. Eine einfache – jedoch sehr deutlich hörbare – Form ist Übersteuern, das auftritt, wenn ein zu hoher Schallpegel in den Eingang gelangt. Wird die ursprüngliche Wellenform auf diese Weise verändert, kommt es zu Verzerrung. In Bezug auf das Spektrum werden dann zahlreiche harmonische Oberschwingungen in das Signal eingebracht. Bestimmte Algorithmen können „saubere“ Verzerrung auf ein akzeptables Maß reduzieren. Dennoch bleibt sie für anspruchsvolle und kritische Hörer wahrnehmbar. Bei anderen Formen von Verzerrung gibt es keine solchen Korrekturmöglichkeiten.

 

3. Verzerrung (Intermodulation)

Eine weitere Form nicht behebbarer Verzerrung ist Intermodulation (IM). Häufig erzeugt Intermodulation unerwünschte Niederfrequenzkomponenten im Spektrum. Dies kann auch bei Mikrofonen der Fall sein. Du kannst prüfen, wie gut (oder schlecht) Dein Mikrofon in Bezug auf IM arbeitet, indem Du ganz einfach den Klang eines Tamburins aufnehmen. Höre die Aufnahme aufmerksam an – Du wirst feststellen, dass es schwierig ist, die Verzerrung zu vermeiden. Hochpassfilter helfen möglicherweise, verändern aber natürlich auch den Frequenzgang des Mikrofons.

 

4. Kammfilterung

Kammfilterung tritt auf, wenn zwei Mikrofone, die auf dieselbe Spur aufnehmen, denselben Klang erfassen, sich jedoch in leicht unterschiedlicher Entfernung von der Klangquelle befinden. Der Name Kammfilterung bezieht sich auf den Frequenzgang, der in grafischer Darstellung wie ein Kamm aussieht. Wenn sich dabei die Klangquelle bewegt, hat man keine Chance, die über den gesamten Frequenzbereich auftretenden Absenkungen und Unregelmäßigkeiten zu korrigieren.

 

5. Schlechte Abmischung (kann man die Abmischung rückgängig machen?)

Wenn Du keine automatisierte Abmischung vornimmst und der Mix anschließend unbefriedigend klingt, ist es schwierig, die Abmischung nachträglich zu verändern. Im Bereich semantische Audioverarbeitung arbeitet man intensiv an der Entwicklung von Algorithmen, die so etwas können. Bis jetzt ist das allerdings noch Zukunftsmusik und für die Praxis wenig relevant.

 

6. Schlechte Akustik

Bei der Aufnahme von akustischen Instrumenten, insbesondere Ensembles, spielt die Akustik des Raums eine entscheidende Rolle für das Gesamtklangbild. Finden Aufnahmen in einem Raum mit zu viel Hall statt, kann man diesen nicht nachträglich eliminieren, bei zu wenig Hall kann man dagegen künstlich nachhelfen. Häufig versuchen die Musiker, fehlenden Hall durch mehr Vibrato, lauteres Spielen usw. auszugleichen. Das Ergebnis ist aber nicht das gleiche wie in einem Raum mit optimaler Akustik.

 

7. Dateien mit zu geringer Auflösung

Bei digitalen Aufnahmen sollten die Dateien ein lineares Format und die größtmögliche Auflösung haben (24 Bit ist besser als 16 Bit). Nach der Speicherung in einem verlustbehafteten komprimierten Format gibt es keinen Weg mehr zurück. Kein System kann all die verworfenen Bits wiederherstellen!

 

8. Mangelhafte Trennung

Bei Mehrspuraufnahmen, die gemischt werden sollen, ist eine gute Trennung zwischen den einzelnen Spuren entscheidend. Dadurch erhält man maximalen Spielraum beim Mischen. Schlecht getrennte Spuren tragen nichts zum Mix bei, das Endprodukt wird geringe Definition und Transparenz aufweisen. Auch hier kann kein digitales Hilfsmittel das Problem lösen.

 

9. Geometrische Verzerrung

Bei der Positionierung von Mikrofonen für Stereo oder Surround ist das Ziel in der Regel, die Platzierung und Ausrichtung der Klangquellen möglichst exakt wiederzugeben. Manchmal nutzt man zusätzliche Mikrofone, um die richtige Balance zu erhalten, z. B. zwischen einzelnen Gruppen in einem Orchester. Wenn man sich jedoch nicht über den Einfluss im Klaren ist, den dieses Hinzufügen verschiedener Perspektiven hat, erhält man ein verschwommenes Endergebnis, bei dem die Positionen einzelner Klangquellen schlecht zu hören sind. Kein digitales Verfahren kann eine gute Aufnahmegeometrie nachbilden.

 

10. Falsches Mikrofon

Wenn Du das falsche Mikrofon für eine Aufgabe wählst, kannst Du den Dynamikumfang nicht steigern oder verschieben, keine fehlenden Frequenzen hinzufügen und keinen „Klangbrei“ (Mud) durch schlechte Auflösung reduzieren – denn es gibt ganz einfach keine Taste MUD ±10. Du kannst eventuell das Klangbild oder den Frequenzausgleich des Mikrofons beeinflussen, mehr aber auch nicht.

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