Bei der binauralen Aufnahmetechnik werden Mikrofone auf dem Kopf eines Menschen oder einem Kunstkopf platziert. Dabei werden die Mikrofone entweder direkt am äußeren Bereich des Gehörgangs platziert oder in unmittelbarer Nähe zum Trommelfell. Bei der Reproduktion der Aufnahme und dem Abhören über Kopfhörer wirkt das Klangbild äußerst realistisch, als wäre man “vor Ort”.
Dieser Artikel erklärt den Einsatz eines binauralen Headsets (anstelle einer Kunstkopf-Lösung), bei dem die binaurale Tonaufnahme am Eingang des Gehörgangs einer realen Person erfolgt.
Wie der Kopf die Klangwahrnehmung beeinflusst
Den physischen Einfluss des Kopfes drücken wir mit der sogenannten Head-Related Transfer Function, kurz HRTF, aus. Diese Übertragungsfunktion drückt aus, wie der Kopf, die Ohren (und auch der Oberkörper) die Übertragung eines akustischen Signals von der Schallquelle zum Trommelfell beeinflussen. Größe und Form des Kopfes und der Ohren sowie der Abstand zwischen den Ohren tragen dazu bei, das akustische Signal zu filtern, bevor es das Trommelfell erreicht.
Wenn der Schall direkt vor der Person entsteht, ist der Einfluss symmetrisch, was bedeutet, dass der Klang an beiden Ohren gleich ist. Sobald sich aber der Schall zu einer der beiden Seiten bewegt, differiert der Klang an beiden Ohren. Der Pegel, der Frequenzgang und die Ankunftszeit variieren. Die der Schallquelle zugewandte Kopfseite erzeugt eine Reflexion, die einen Druckaufbau im mittleren Frequenzbereich verursacht. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kopfes tritt im gleichen Frequenzbereich ein gewisser Abschattungseffekt auf.
Die HTRF ist eng mit der individuellen Form des menschlichen Kopfes verbunden. Daher klingen binaurale Aufnahmen am besten, wenn sie mit der eigenen HTRF aufgenommen wurden. Im Allgemeinen erfährt jedoch jeder eine viel höhere Umhüllung des Umgebungsschalls, auch wenn die HTRF nicht der eigenen entspricht. Daher ist die binaurale Aufnahmetechnik für viele Anwendungen eine Überlegung wert.
In den letzten 30 Jahren wurde viel über binauralen Klang geforscht. Die Forscher der Universität Aalborg, Dänemark, haben in den 1990er Jahren umfassende Studien durchgeführt. [1]
Die nächste Abbildung zeigt zwei Sätze von Kurven (HTRFs). Jede Kurve repräsentiert einen Mittelwert über viele Probanden. Die linken Kurven wurden mit einem offenen Gehörgang ermittelt. Die rechten Kurven zeigen die HTRFs von Probanden mit blockiertem Gehörgang.
Abbildung 1: HRTF menschlicher Probanden bei offenem und geschlossenem Gehörgang [1].
Die Verwendung von binauralen Headsets liegt sehr nah an der HTRF, die bei blockiertem Gehörgang ermittelt wurde (rechts).
Hörproben aus dem Stück "Good for Nothing"
Das Stück "Good for nothing" wurde von Schülerinnen und Schülern der Dänischen National School of Performing Arts entwickelt. Nanna-Karina Schleimann war verantwortlich für Sounddesign und musikalische Kompositionen.
In dem Stück bewegt sich das Publikum zwischen den Schauspielerinnen und Schauspielern. Der gesamte Theaterraum fungiert als Bühne und hier und da finden kleinere „Zwischenfälle“ statt. Nanna entschied sich für die Verwendung von binauralen Mikrofonen für mehrere Schauspielerinnen und Schauspielern und übertrug die Signale mithilfe von Stereoempfängern und Kopfhörern an das Publikum. Auf diese Weise nimmt das Publikum unmittelbar teil.
Die Musik wurde live auf der Bühne gespielt und gemischt. Die Hörproben sind Aufnahmen, die direkt von einer Performance stammen.
"GFN Alex": Ein Schauspieler spricht, ein anderer Schauspieler hört zu (er trägt die binauralen Mikrofone). Während dieser Szene stecken beide ihre Köpfe in einen Karton. Für die Personen im Publikum fühlt es sich nun so an, als wären sie selbst in der Box.
"Zusammensetzung": Komposition / Soundeffekte für eine Szene
"Pose Paranoia": Komposition / Soundeffekte für eine Szene
Up-mix von binauralem Ton
Die binaurale Technik ist für die Wiedergabe mit Kopfhörern ausgelegt. Wenn der binaural aufgenommene Ton über Lautsprecher wiedergegeben werden soll, ist eine Korrektur erforderlich. Diese Korrektur ist im Grunde eine inverse HTRF. Da sich die HTRF mit der Richtung ändert, ist es schwierig, diese invertierte Funktion zu ermitteln. Ein einfaches Filter nähert sich jedoch der idealen Korrektur an. Die Funktion des Filters besteht darin, die Klangbalance wieder so herzustellen, dass sie der Klangfarbe des im Kopfhörer wiedergegebenen Signals entspricht.
Abbildung 2: Vorgeschlagene Filterkurve für den Up-Mix binauraler Aufnahmen für die Lautsprecherwiedergabe.
In Abbildung 2 wird die gezeigte Filterkurve durch Anwendung des parametrischen Equalizers von Adobe Audition erstellt. Die meisten parametrischen Equalizer können eine Kurve wie diese zumindest annähernd erstellen.
Einstellungen:
480 Hz Low shelf, Gain = +2 dB
4 kHz Bell, Gain = -11 dB, Q = 1
8 kHz Bell, Gain = +8 dB, Q = 2
Gesamtverstärkung = 0 dB
Wenn also eine binaurale Aufnahme gemacht wird, kann der Equalizer auf beide Kanäle gelegt werden. Dann ist die Aufnahme besser für die Wiedergabe über Lautsprecher geeignet.
HTRFs sind individuell, sodass Filtereinstellungen zur Kompensation von der oberen Abbildung abweichen können.
Der unten dargestellte Verlauf wurde in einem sehr halligen Raum mit eher diffusem Schallfeld aufgezeichnet. Als Schallquelle dient rosa Rauschen, das über Lautsprecher eingespielt wurde. Ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik (DPA 4060) hat den diffusen Schall an einem Punkt über eine Minute aufgezeichnet. Danach wurde das Kugelmikrofon durch eine Person mit einem DPA 4560 ersetzt und der Schall wurde (auf zwei Kanälen) über eine Minute aufgezeichnet. Eine FFT-Analyse (FFT-Größe = 8K) wurde durchgeführt. Das Spektrum des linken und rechten Kanals des binauralen Kopfbügelmikrofons wurde gemittelt. Die ermittelten Spektraldaten des Kugelmikrofons wurden dann von den gemittelten Spektraldaten der binauralen Aufnahme abgezogen. Die untere Kurve zeigt mehr oder weniger den Einfluss des Kopfes (frequenzbezogen) im diffusen Schallfeld.
Wenn das Headset von einer anderen Person getragen wird, wird das Ergebnis leicht abweichen.
Beim Sammeln von Soundeffekten kann das Signal so lange unbearbeitet bleiben, bis es in den Mix eingefügt wird, um es so lange wie möglich so sauber wie möglich zu lassen. Alternativ kann auch einfach eine "weniger aggressive" Filterung wie ein Shelving durchgeführt werden.
Dies ist ein "milder" Kompensationsverlauf, ein -6 dB Kuhschwanz-Filter bei 2,2 kHz.